Julius
von Karolij
Ich schritt, ein Träumer,
durch mein jüngstes Leben,
Die Blicke aufwärts nur
emporgesenet,
Und von des Himmels Glanze
fast geblendet,
Vergaß ich bald, nach
ird’schem Glück zu streben.
Du wieder warst der Welt zu
sehr ergeben,
Des Lebens nächsten Zielen
bloß verpfändet,
Und so den hehrsten Gütern
halb entwendet,
Versäumtest du zum Höchsten
aufzuschweben.
Seit uns ein glücklich
Schicksal nun verbunden,
Lehrst du des Lebens Ziele
mich ergreifen,
Ich dich, was du noch nie
gedacht, empfunden.
So laßt der Zukunft uns
entgegenreifen,
Und immer, wenn vollbracht der
Arbeit Stunden,
Empor zum Höchsten mit der
Seele schweifen!
Den Silberstrom entlang zu
beiden Seiten
Sah ich das Buch der Völker
aufgeschlagen;
Aus aller Welt ward hier
herbeigetragen,
Was Menschenwitz nur jemals
konnt’ bereiten.
Wie Aug’ und Ohr sich der
Verachtung wihten,
Wie mich’s erfüllt, ich
brauch’s nicht erst zu sagen;
Was ich gesehn in all den
Wundertagen,
Vergess’ ich nicht für alle
Lebenszeiten.
Und dennoch: wißt ihr, von den
Herrlichkeiten
Was dort wie hier am meisten
mir gefallen
Und mich entzückt wie heut’ so
stets vor allen?
Was über allen Völkern prangt
und Zeiten:
Bei Tage schöne Menschen im
Gewimmel,
Und nachts ob meinem Haupt der
Sternenhimmel.
Ich kann nicht sagen, jetzt,
von dieser Stunde,
Will viel und recht ich
schaffen, dichten, singen;
Ich kann nicht prahlen, dies
will ich vollbringen,
Eh wieder abgerollt des Jahres
Runde.
Ich kann nicht künen mit
wahrhaft’gem Munde,
Dies, dies und dies soll mir
im Jahr gelingen;
Von meinem Genius kann ich
nichts erzwingen,
Zwei janz Verschied’ne sind wir
zwei im Grunde.
Sein Werkzeug bin ich nur; was
ich erstrebe,
Liegt nichts an mir, und
alles, was ich habe,
Ist ein Geschenk, und
zwiefach, was ich gebe.
Kein Vorsatz drum! Nur beten,
besten Falles:
Gebt, Götter, mir’s, - bin nur
ein Bettlerknabe,
Der nichts kann ohne euch, nur
mit euch alles!
Als ich als Knab’ dereinst zur
Kirche sollte
Zum erstenmal mit meiner
Schule gehn,
Ist bei der Wandlung Ärgernis
geschehn,
Worüber man daheim dem Kinde
grollte.
Als nämlich man dem Höchsten
Andacht zollte
Und jung und alt konnt’ auf
den Knieen sehn,
Blieb ich allein hoch
aufgerichtet stehn,
Das einz’ge Kind, das sich
nicht eugen wollte.
Den Grund vermag ich wahrlich
nicht zu sagen,
Denn hatt’ ich einen, weiß ich
heut’ ihn nicht,
Und einen bösen wittern, wär’
zum Lachen.
Doch hielt ich fest den Fall
aus Kindertagen,
Da er so zeitig für mein Kredo
spricht
Und meine Sonderart in
Glaubenssachen.
So oft vom Himmelselt, dem
dunkelblauen,
Die Julisonne glüh’nde Pfeile
sendet;
So oft mein Schritt sich nach
dem Parke wendet,
Das Aug’ an Menschenschönheit
zu erbauen;
So oft in Nächten,
mondscheinhellen, lauen,
Ich mich ergeh’, wenn sich der
Tag vollendet;
So oft mein Ohr an Klängen
sich verschwendet,
Entlockt der Laute, wenn die
Sterne tauen:
Stets seh’ ich dann im Geist
Italiens Auen,
Mir auszumalen kann ich nie
ermüden
Neapels Knaben und Neapels
Frauen.
Ja, fliegen möcht’ ich, dieses
Land zu schauen!
Denn eine sehnsucht zieht mich
nach dem Süden,
Wie kaum Verbannte nach den
Heimatgauen.
Kennst du das Land...? O Abend
voller Wonnen,
Als Sie mir sang dies hehre
Lied der Lieder!
Wie wogte da die Brust mir auf
und nieder
Vor Sehnsucht, ach! nach jenem
Land der Sonnen!
Und ist die Stunde längst mir
auch entronnen,
Dies hohe Lied erneut sie
stets mir wieder,
Und Lerche Sehnsucht hebt ihr
hell Gefieder,
Und wiegt sich neu ob altem
Wunderbronnen.
Dann träum’ ich Marmorhallen
und Paläste,
Die Felsen seh’ ich um den
Garda ragen,
Orangen leuchten durch
smaragd’ne Äste;
Laut fühl’ mein Herz ich nach
dem Lande schlagen,
Dahin seit je der deutschen
Dichter beste
Die Sehnsucht erst und dann
der Fuß getragen.
Stets hör’ ich sie! Fort tönt
mir im Gemüte
Draus jedes Lied! Wie einst in
Jünglingstagen,
Fühl’ ich bei jedem hoch das
Herz mir schlagen,
Und einem Spanier macht’s mich
von Geblüte.
O
Oper Carmen! Südens schönste Blüte!
Wohin, wohin machst du den
Geist enttragen?
Sevillas Türme seh’ ich vormir
ragen,
Ich seh’ das Land, dem ich
seit Kind erglühte.
Wo blau der Himmel, sengend
heiß die sonne,
Der schönern Menschheit Heim,
der unerschlafften,
Nicht unsrer kalten,
lebenssücht’gen, müden.
O Land des Lebens! Land der
Liebeswonne!
O starker Triebe Sand, der
Leidenschaften!
O Spanien!... Meiner Carmen
Land!... O Süden!!
Denk’ ich des Lands der Palmen
und Zitronen,
Wo ragt die Myrte, wo der
Ölbaum blüht,
Wo hoch aus Himmels Blau die
Sonne glüht,
Wo Leben lacht und Lieb’ und
Schönheit thronen;
Denk’ ich Italiens, Spaniens
holder Zonen,
Im Herzen Heimweh, Sehnsucht
im Gemüt,
Greift Ehrfurcht mich,
Anbetung vor dem Süd,
Doch Spleen, in Nordens kaltem
Reich zu wohnen;
Und kommt mir dann nur Wagner
in den Sinn,
Ein Vers, ein Ton, ein Lied,
sei’s dröhnend, leise,
Sachs, Wolfram, Tristan,
Siegfried, Lohengrin:
Vorbei mit eins ist’s mit der
Fremde Preise!
Dank, jauchz’ ich, Dank! daß
ich ein Deutscher bin:
Hoch über allem deutsche Kunst
und Weise!
Nach Hause kehrt’ ich spät.
Des Lämpchens Flimmer
Im Hausflur ausgelöscht.
Stockfinstre Nacht.
Ich schritt behutsam, leise, tastend
sacht
Nach rechts und links, ich
fand die Türe nimmer.
Mit eins bemerk’ ich, wie ein
schwacher Schimmer
Aus kleinster Öffnung mir
entgegenlacht;
Mein Licht ist’s, das mein
Diener, der noch wacht,
Mich wohl erwartend,
angebrannt im Zimmer.
Ich schreit’ drauf zu mit
festen, sich’ren Tritten,
Schon grüßt vom Pult mich
meiner Lampe Strahl,
Ich steh’ in meines kleinen
Tempels Mitten.
So – dacht’ ich – führt uns
stets das Ideal,
Das schwächste selbst,
verfolgt mit festen Schritten,
Aus tiefster Nacht noch in den
hellsten Saal.
Heil, Tempel. dir in teurer
Großstadt Mitten!
Hort jeder Größe mir in
Jünglingszeiten!
Hier fühlt’ ich schwellen,
steigern sich und weiten
Den Geist vor des Geschicks
Gigantenschritten!
Hier staunt’ ich oft, wie
Riesen stritten, litten,
Die siegend Großes stets in
mir befreiten,
Hier sah zuerst ich Schillers
Helden schreiten
Und Goethes und des größten aller Briten.
O Szenen, ewig wert! O
Rauschsekunden,
Wenn ich hinaustrat in die
Menschenmenge!
O ihr Ekstasen, hier dereinst
empfunden
Vor Iphigeniens Bild! O im
Gedränge
Du Sturmwind von Gefühlen und
Gedanken!
Wie zwäng’ ich das in des Gedichtes
Schranken!
O Oper, hehrste Stätte mir auf
Erden!
Quell, draus der Freuden
höchste ich genossen!
O Bronnen, der die Gottheit
mir erschlossen
In Tagen, da noch ganz ich war
im Werden!
O Geisteshöhn, unfaßbar
Menschenherden,
Draus Götterblitze in das Herz
mir schossen!
O Nächte, wo, in Himmelslust
zerflossen,
Ich Abschied winkte deinen
Flügelpferden!
O Oper, Tempel mir! Glück,
unvergeßlich!
O Abende voll namenloser
Wonnen!
O Geistesfeste! Räusche unermeßlich!
Gewalt’ge Zeit! entschwund’ne!
unsagbare!
Du meines Lebens ew’ger
Jugendbronnen!
O Neustadt! ... Jünglingszeit!
... O Götterjahre!
So oft vom Haus ich fort die
Schritte wende,
Bepackt mit Büchern, in die
Schul’ zu schreiten,
Und frohe Knaben seh’ mich hin
begleiten,
An die ich Wort’ und Blicke
gern verschwende,
Zu meinem Geist dann sag’ ich:
Flieg! und sende
ihn flugs in längst
entschwund’ner Jahre Weiten,
Von meinen Knaben- träum’ ich,
Schülerzeiten,
Da ich noch selbst empfing der
Bildung Spende.
Zwölf Jahre sind’s! Wann’s
besser war? An Wissen
ward ich wohl reicher, gern
auch geb’ ich andern,
Was selbst mein Glück und
Geistes höchste Labe.
Und doch, Beruf, Stand,
Weisheit wollt’ ich missen,
Könnt’ ich aufs neu’, ein
fünfzehnjähr’ger Knabe,
Mit Büchern unterm Arm zur
Schule wandern.
Vor Marmorbildern im Gebet
versunken,
Hab’ ich in Künstlers
Sehnsucht oft gestanden,
Den Geist gewandt nach ew’ger
Schönheit Landen,
Wo er nicht weilt, denn
hehrster Wonne trunken.
Da dacht’ ich oft, versehrt
vom Liebesfunken:
O würd’ mein Sehnen doch vom
Stein verstanden!
O könnt’ ich doch mit Herz-
und Geistesbanden
Mich an ihn fesseln, der so
hehr kann prunken!
Dann jener Menschen mußt’ ich
stets gedenken,
Die gleich den Statuten mich
oft entzückten,
Entfachend Glut nach
göttlichem Verschenken,
Doch denen auch kein Wörtchen
konnte schildern
Den hehren Sehnsuchtsrausch
des Weltentrückten,
Weil sie verständnislos gleich
Marmorbildern.
Wer je zu heimlich süßem
Liebesbunde
Dir willig Leib und Seel’
dahingegeben,
Wer je an dich mit Glut und
Wonnebeben
Sich selig schmiegte in
vertrauter Stunde:
Des Name soll vom sattgeküßten
Munde
Nie anders dir als
dankbar-treu entschweben,
Er soll dir heilig sein dein
ganzes Leben,
Ruhn dir, ein Kleinod, auf des
Herzens Grunde.
Du kannst ihn fliehn, kannst
seine Lieb’ verwinden,
Kannst andern dich in heißern
Gluten binden;
Nie darf er ganz dem Herzen
dir entschwinden!
Der soll fürwahr des Unheils
nie genesen,
Wer je in liebem Aug’ vergißt
zu lesen
Die heil’ge Schrift: Mit
diesem Eins gewesen!